Stand: 29. März 2004, 13:00

Parteitag der Wende: Die kalten Füße der SPD

Zur Vorgeschichte

Dass die SPD heute, 2004, es nicht besser kann, ist einzusehen:

  • 141 Jahre “kämpferische Tradition”,
  • systematische politische Arbeit im demokratischen Deutschland (zunächst nur “West”),
  • der Stolz abgerungener Mitbestimmung,
  • seit 1960, besonders nach 1968 Übernahme von Teilen der virulenten Linken,
  • das systematische Versprechen sozialer Gerechtigkeit (transzendenter Dauerbrenner in jeder Demokratie),
  • die nicht berechtigte, dennoch erfolgreich beanspruchte Patenschaft für “Sozialleistungen” aller Art

sind sozialpsychologisch fest eingebrannt und konfigurieren sowohl Selbstbild wie Identität der deutschen Sozialdemokratie. Darin ist die SPD allerdings ihr eigener Gefangener geworden.

Auf der Strecke blieben viele Unternehmen, deren Eigenkapital (Propedeutikum Buchführung) durch die Ausgaben für Lohn (so genannte hohe Lohnkosten) dezi- miert wurde. In den ersten 15 Jahren nach 1945 wurde der Puffer jener Substanz erarbeitet, der viele Jahre Sorglosleben ermöglichte; jetzt erst wird in den Statisti- ken nachweisbar, dass Deutschland, als Sozialkörper aus der Bahn zu geraten droht.

Katalytisch für den heutigen mentalen Zustand der SPD sind besonders zwei Umstände, die sich gegenseitig verstärken:

  1. Ressentiments gegen das (nicht mehr existente) Nationalbewusstsein von 1871 bis 1945, das Sozialisten kittet. (Der strapazierte “Patriotismus” die- ser Tage ist aufgesetzt und fordert, dass jedermann “sozialistisch” denkt.)
  2. die Unfähigkeit der programmatisch heterogenen CDU/CSU der allmähli- chen sozialistischen Infektion des öffentlichen Bewusstseins zu widerste- hen, bzw. diese Infektion zu heilen (also nicht etwa das marktwirtschaft- liche Konzept durchzusetzen).

Hierbei ist zu konzedieren, dass die SPD sehr gekonnt den Freiraum der Demo- kratie und die, zum Teil sogar inhärenten, Schwächen der CDU/CSU etwa auf den Feldern von Kultur, Wirtschaft, Sozialpolitik, Bildungspolitik, Außenpolitik so wie ihr mangelhaftes Eliteverhalten jenseits jeweils aktueller Meinungsumfragen optimal genutzt hat. Gut abgesicherte Flughoheit in vielen Themenbereichen sind IST-Zustand. Leider geht dies einher mit der sozialen Degeneration der Gesell- schaft in Deutschland.

Vor diesem Hintergrund hat die SPD ihr Regierungsprogramm 1998 formuliert. Ihre Defizite in der Umweltpolitik und ihr konservatives Gebaren hat die SPD im Bündnis mit den so genannten “Grünen” wirkungsvoll unter den Teppich kehren können. War die SPD zu alledem “berechtigt”? ... Sie hat, ganz einfach ... und im übrigen ist aus liberaler Sicht niemand zu derartigem Richterspruch berech- tigt. Von Korruption und gelegentlichem Verfassungsbruch abgesehen, hat die SPD sich ansonsten im wesentlichen an die Rechtsordnung, den Gesellschafts- vertrag, gehalten.

Dennoch, im Regierungsprogramm von 1998 ist der Wurm drin.

Das Nötige steht im Kanzleramtspapier vom Dezember 2002 - “die SPD” selbst also hat gewusst, wozu es nach heutiger parteiinterner Diktion “keine Al- ternativen” gibt. Nicht erforderlich, etwa böse Liberale, gar Neoliberale zu bemü- hen. Eine kleine Ausgabe dieser Erkenntnisse hat Schröder am 14. März 2003 im Bundestag vorgetragen. Entsprechende Beschlüsse wurden nach 4 Regional- konferenzen auf dem SPD-Parteitag vom 1. Juni 2003 gefasst. Nach wochenlan- gem Würgen in der Bundestags-Fraktion der SPD wurden bezogen auf die Kanz- ler-Worte vom 14. März 2003 wiederum (noch) kleinere Gesetzentwürfe im Bun- destag verabschiedet - der Widerstand in der SPD hatte sich inzwischen for- miert; die Mitgliederflucht aus der Partei hatte begonnen. Im Rahmen des Mara- thon im Vermittlungsausschuss konnte der Reform-Pegel zwar etwas angehoben werden, blieb aber signifikant hinter den schmalen Ankündigungen vom 14. März 2003 zurück. “Die SPD” weiß was zu tun wäre, aber insbesondere ihre oberste Führung hat nun kalte Füße bekommen. Schröder kündigte am 6. Februar 2004 seinen Rücktritt vom Vorsitz der SPD an. Nur deswegen musste ein Parteitag einberufen werden; er fand am 21. März 2004 statt.

Die Nachrichtenlage am 21. März morgens

Um 8:00 meldet der DLF: Bürgerversicherung, Erbschaftssteuer, Ausbil- dungsplatzabgabe, die Themen heute auf dem Parteitag der SPD. Hat die SPD angesichts schwerer Wirtschaftskrise (u.a. katastrophale Arbeitslosigkeit, erfolg- te Netto-Rentenkürzung, steigende Abgaben und zunehmende Unterfinanzierung bei den Sozialkassen) keine besseren Themen? Nachvollziehbar, dass sich die legendäre SPD aus dem Tief der Meinungsumfragen befreien will. Frage jedoch: Ist die SPD von allen guten Geistern verlassen? Es liegt der Gedanke nahe, die SPD setzt diese Themen auf die Tagesordnung, um von anderen eher unange- nehmen Themen abzulenken; bei näherer Beobachtung aber steht fest: Die SPD meint das alles ganz ernst. Daher konstatiert Das Liberale Tagebuch: sozialis- tischen Politmasochismus.

Was für die SPD am 21.03.2004 auch wichtig war

Heidemarie Wieczorek-Zeul eröffnet den Parteitag mit “ich begrüße Gerhard Schröder und Franz Müntefering ... “ Pause ... es erfolgte durch die Reihen der Delegierten im Pulk der Einmarsch der Beiden. Triumphaler Einzug? Und seien nur 59 Sekunden für das Einstudieren der Regieanweisungen verwendet worden, ist zu fragen: Haben die führenden Genossen wirklich nichts besseres zu beden- ken??? Wieczorek-Zeul weiter: “Wir wurden 1998 / 2002 stärkste Partei ... bis dahin war das nur bei der Willy-Wahl von 1972 gelungen”. Das Liberale Tage- buch mit Sarkasmus: Auf der Basis von Wahlbetrug ist die SPD noch immer stolz auf solche Wahlergebnisse? Ohgottwalter. Aber Szene-Regie, vom Feins- ten: Von der Auswahl der Präsidien (“neue”, “andere” Gesichter), marktschreieri- sche Begrüßung von H.J. Vogel und der Gewerkschaftsvorsitzenden (die doch nicht wollen (dürfen-können)) : Regie der Szene, das macht die SPD gut:

Deutschland 2010? Was ist mit Deutschland per 31.12.2004?

Schröder unredlich noch beim Abgang. Kommentar zu seiner Rede

Einstieg über das Thema Irak: Freundschaften seien nicht beschädigt (vielleicht dann nicht, wenn Grünrot vernichtet u. glaubhaft, nachhaltig, irrelevant wird - kann ein Demokrat in Deutschland der SPD das “Projekt 18” wünschen?) Es kam die Leier vom Sozialstaat, der angesichts der Demographie zu bewahren sei. Mehr als “Schutz, denen die Schutz benötigen” führte Schröder dazu nicht aus. Es le- gen nach seiner Vorstellung wohl Staatssozialisten’2004 dies nach Kassenlage fest. Schröders Aussagen dazu sind im Grunde genommen Demagogie. Weder ist Schröder in der Lage noch scheint er bereit, soziale Tränendrüse und damit den Bevormundungsstaat zu entsorgen. Alles wie gehabt - von leeren Kassen selbstverständlich abgesehen.

Zuwanderung: (Ist ein Problem) Aber am 21. März, nichts als Ablenkung. Wenn, was auch Vogel sagte, “die Anderen” vieles noch viel schlimmer machen würden: Wie soll denn die A-2010 weitergehen?

Die Schröder-Rede erzeugt weitgehend Kopfschütteln. Wenige Zitate, teilweise dem Sinne nach u. selbstverständlich ohne Kontext: ”Wir” (“der Staat” oder die Bürger?) müssen mehr Geld ausgeben, um Kinder zu betreuen ... nicht um sie auszubilden? “Durchsetzen” Schröders häufiges Wort. Wie wäre es, eine Politik zu produzieren, die “überzeugenswürdig” ist? Ausbildungsplätze seien “zur Verfü- gung zu stellen” (und per Mitbestimmung Gewerkschafts-Funktionäre zu finanzie- ren ... sonst noch was?); ob Schröder bedacht hat, dass die Finanzierung all die- ser SPD-Wünsche die Steuereinnahmen vermindert? “Sicherheit und Wachstum” seien nicht national herstellbar (Recht hat der Kanzler: Herzustellen sind Sicherheit und Wachstum nicht); oder will Schröder jetzt sagen: “Mein Name ist Hase?”. “Ressourcen, die ‘wir’ zur Verfügung stellen” ... und welcher “wir” zahlt diese ... Ressourcen? Die Ausführungen zum Thema Türkei waren völlig über- höht, insbesondere angesichts der Problemlage 2004. Zu folgendem am besten den Atem anhalten: “ Ich war stolz darauf, Vorsitzender dieser ältesten Partei Deutschlands sein zu dürfen ...”; könnte es sein, dass der SPD Schröders Stolz teuer zu stehen kommt? “Verdammt schwierige Zeiten ... “ Niemand hat die SPD und Schröder gezwungen das Regierungsprogramm von 1998 zu schreiben; also hat sich die SPD mit Schröder die “schwierigen Zeiten” selber eingebrockt ... übrigens nicht spontan, sondern mit Vorsatz, nach langer, aus- führlicher “(gesellschaftlicher?) Debatte” ... sprich Sozialhetze in den 90ger Jah- ren.

Mehr als nur schade: Sogar H.J. Vogel unredlich

Das Problem “Irak” habe die SPD durchgestanden. (War das kein blanker Oppor- tunismus?). Globalisierung und Altersaufbau zwingen jetzt (Nein, schon 1998). Wir, die SPD stehen heute vor Entscheidungen, wie einst Herbert Wehner 1960, der die Westintegration akzeptierte. (Falsch, denn Wehner war nicht gezwungen ein komplettes Regierungsprogramm zurückzunehmen, was die SPD offenbar nicht schafft und zunächst nicht mehr als ein Imageproblem ist). Und sogar der verdiente H.J. Vogel (!), etwa im Lichte des Kanzleramtspapieres vom Dezem- ber 2002, argumentiert unverantwortlich: Die “Anderen” würden es viel schlimmer machen. (Ist das der verkündete Mut zur Reform?) Frieden sei zu sichern. Was hat Priorität: Hohe Löhne (Wohlstand mit hohem Massenkonsum) in Deutschland oder Welt-Gerechtigkeit? (Kann dieses zeitabschnittbezogene Dilemma mit Großspurigkeit oder Demagogie gelöst werden?) Verlässlichkeit u. Gradlinigkeit seien gewaltige Komplimente ... Nun ja, so weit sind wir schon gekommen.

Es sprach Müntefering: Nicht mehr als nur durchwachsen

In Ordnung: Unser Wohlstand wird nur dann erhalten bleiben, wenn wir uns der Globalisierung stellen; es gibt keinen Globalisierungsgraben um Deutschland he- rum. Sein Ja zu Europa, sein Bekenntnis zur Ehrlichkeit (klingt sogar ehrlich), sein Bekenntnis zu Strukturproblemen, zur Notwendigkeit von wirtschaftlichem Wachstum, etwa als Frage: 43/46% Rente wovon? Alles in Ordnung. Gerne auch konzediert, durchaus sehr gut: Suchen. Wichtiges von Unwichtigem unter- scheiden, nicht alles geht über Bundesgesetze. Etwa auch: Was ist (soziale) Marktwirtschaft? Keiner verschlage sich in populistische Büsche; Müntefering adressierte die politischen Funktionäre, fasste sie am Portepee. Eigenverantwor- tung in Ordnung. Nicht schlecht, das Aperçu an einen erfolgreichen OV-Vorsit- zenden aus Niedersachsen, der sich, aufgerufen nicht sofort meldete: “Das hat- ten wir doch vereinbart”. Eben. Es gibt tatsächlich im demokratischen Deutsch- land gewisse Vereinbarungen ...

Aber: Zu wenig Arbeit? Auf Otto Schily verlassen mit dem aufgesetzten Getue zum Thema Massenmord - in anderem Wort also sozialistische Absicht, ange- sichts von Gefahren, den Bevormundungsstaat zu rechtfertigen? “Entwicklungs- hilfe” oK; aber das “Bereitstellen” von sehr viel Geld ... übergangen. Übergangen auch, dass Schröder der Mut zur Ehrlichkeit fehlte. Und, Europa der 25: Wann kommt der Wohlstand oder geht es zunächst zurück, zumindest nicht voran? Problem: Noch immer Soziale Gerechtigkeit, die ist so ausgeleiert, ist nichts als Joker der Demagogen; daher Zweifel, ob Ehrlichkeitskurs Bestand haben kann. Will “signalisieren”, obwohl Müntefering im Gauss-Interview am Morgen des 21. März die Begrenztheit staatlichen Handelns zugegeben hat. 30% plus für Forschung, Bildung triumphiert Müntefering. Hat er vergessen oder sogar ver- drängt, dass die SPD 1998 wortwörtlich “Bildung, Forschung und Wissenschaft durch Verdoppelung der Ausgaben” (Kapitel 1, 3. Titel im Regierungspro- gramm 1998) bis 2003/2004 stärken wollte? Noch immer Gutmenschen-Hoff- nung und Träume. Bürgerversicherung, oh weh! Niemand von der Schule in die Arbeitslosigkeit, geschickt eingestilt: Nach längerem Anlauf, also vorsichtig, Ar- beitsplatzabgabe, oh weh. Gemeinden: Keine Stärkung durch Entstaatlichung? Staatsdefinition akzeptabel, aber unbegrenzte Finanzierung? Zusätzlich 2,5 Mrd in 2005 (Ankündigungen kennen wir) - ob das reicht? Eigenverantwortung nicht konkretisiert. Gesine Schwan: geschenkt. Größter Mangel: Zu wenig Bürger- Adresse, statt dessen zu viel Macht-Wollen. Nachvollziehbar: “Wir wollen regie- ren.” Dazu allerdings müsste mehr kommen.

Über die Distanz zwischen Führung und Volk

Schröder eher Barock, Müntefering eher Asket, passt besser in die Zeit. Mit
95,11% der Stimmen wurde Müntefering neuer Parteivorsitzender. Es gratulierte das Podium unter sich - als ob der Kongress tanzte. Sogar zum eigenen Partei- Volk wurde zwecks Gratulieren der Abstand von 10 m, den niemand überschritt, nicht verringert ... ergriffenen Applaus gab es. À propos “Zupacken”: Es fehlte: “Alle müssen mehr arbeiten”. Da allerdings hat die Führung gekniffen ... 1000 m Distanz.

Schröder, kein Mann der Partei?

Nachdem Schröder kein Parteivorsitzender mehr war, wurde kommentiert er sei eben nie ein Mann der Partei gewesen. Diese Anschauung ist falsch, denn die SPD hat Schröder in langjährigem, kaskadierten Auswahlprozess die Plattform geschaffen. Die SPD hat ihn gewollt, denn - so das Kalkül - unsere Sozialisten haben sich davon “etwas” versprochen; sie waren schlicht der Meinung, Schröder würde “ankommen”, Kohl u. die CDU/CSU schlagen - was bekanntlich auch ge- klappt hat. “Andere” haben - später - ähnliche Fehler gemacht. Die SPD in den Jahren 1997-1998, jedenfalls den Fehler, nicht bemerkt, nicht bemerken zu wol- len, dass Schröder sich in den entscheidenden Aussagen als einer der ausge- prägtesten Parolenbläser der deutschen Geschichte profilierte und damit konse- quenter als geahnt - zumindest bisher - krachend auf das Mundwerk fiel. Zum Nachdenken: Erst die Abstimmung mit den Füssen, 50.000 Mitglieder verloren, Saldo heute 630.000, habe wachgerüttelt. Angeblich hat Schröder, totalfreiweillig, selbst “gerüttelt”. Das kann man glauben. Muss man aber nicht ...

Exkurs 1: Es ist die CDU/CSU, die durch ihr Verhalten der SPD im Gewand von Lafontaine, Schröder und Müntefering (Kampa ‘98) den Weg geebnet hat. Klammeraffen gab es 1997/98 noch kaum; warum sollte sich die SPD damit pudern?

Es bleibt die bange Frage: Was will ab morgen Schröder beim Regieren, nach Abgabe der Last des Parteivorsitzenden, denn nun besser machen? Wie nutzt Schröder die gewonnene Zeit? Schröder ist also unverändert Bundeskanzler, nicht einmal die Mitglieder der SPD haben ihm zum “Was nun?” Konkretes entlocken können.

Die Konsequenz kalter Füße

Die SPD kehrt “Heim ins Reich” des Klassenkampfes, der Neidkultur - konse- quent die Ankündigung von Kulturkampf. Die Überwindung der sozialen Degeneration “dieser Gesellschaft” wird aufgeschoben, weil die SPD-Führung wider besseres Wissen ihre traditionellen Parolen pflegt, ihr die Kraft zum Aus- brechen aus solch babylonischer Gefangenschaft fehlt.

Vorne hui, hinten pfui

Bundespräsident Rau geißelt “vorne” jene, die “Gesellschaft spalten”, während “hinten” die SPD als Ganzes, also real, Klassenkampf macht.

Exkurs 2: Hat die CDU/CSU als maßgeblich regierende Elite mehr Klassenkampf provoziert als “der Staat tragen kann”? SSG sind viele in D’land; aber die von der CDU/CSU sind außerdem SSE; abwickeln wegen Mummlosigkeit, fehlendem Rückgrat, Maßlosigkeit und Scheinheiligentum. Es genügt nicht “Vorne hui, hin- ten pfui” zu denunzieren.

Über Popanze, Tanzbären, Sprechblasen:
SPD unverändert unredlich bis auf die Knochen.

oder SPD: Der programmierte, der
programmgewordene Wählerbetrug

Die SPD-Führung beschwört: Der alternativlose Reformkurs müsse fortgesetzt werden. Es sei jedoch erforderlich, den Sozialstaat zu bewahren. Über die Defini- tion von “Reformkurs” und “Sozialstaat” erfahren wir ziemlich wenig. Vielleicht bringt die Aufzählung der auf dem Parteitag erwähnten Themen etwas Einblick.

SPD geißelt Maßlosigkeit. “Stell Dir vor, es gäbe nicht die teuren Manager.” Würden dann Billig-Funktionäre oder Billig-Beamte die Unternehmen leiten? Woll- te man bei entmanagerter Republik der SPD in die politische Tasche greifen: Überkäme uns ein Gefühl wie “Kanzler-Kohlelos”, d.h., das Gefühl vom legendä- ren nackten Mann? Meint die SPD 10, 100 oder 500 Spitzenmanager? Sie meint offenbar nicht Spitzen-Sportler, Spitzen-Künstler, Spitzen-Freiberufler. Will die SPD, dass in der Wirtschaft Billig-Typen, so wie viel zu häufig in der Politikbran- che den Ton angeben? Es stimmt: Herr Esser, Herr Ackermann und andere ... muss das sein? Es gibt für “solche” Fälle keine wasserdichte Lösung; das weiß die SPD ohne Zweifel ganz genau; übrigens auch nicht für die flächendeckende Kommunalkorruption ... der SPD. Statt die Peinlichkeit zu übergehen, wird der “übermäßige” Verdienst einzelner bombastisch skandalisiert und dadurch Millio- nen systematisch aufgehetzt. Es stimmt: Als Ablenkungsmanöver sehr effektiv. Aber angenommen, die SPD meint 1000 Spitzenmanager à durchschnittlich
1.000.000 € das Stück, sind das für alle zusammen 0,05% des BIP - auf 83 Mio aufgeteilt, rund 13,00 €. Gute Sache, wer möchte nicht gerne 13,00 € p.a. zu- sätzlich haben ... aber zum Preis, die 1000 Manager durch Billig-Funktionäre zu ersetzen? Ausnahmsweise zur eigenen Person: In besseren Zeiten verdiente der
Herausgeber des Liberalen Tagebuches 0,0000004% vom heutigen BIP, mit Sicherheit kein Hungerlohn. Dennoch: “Ich pfeife auf Billig-Funktionäre.”

Ökosteuer damit die Lohnkosten sinken”. Sinken etwa die Gesamtkosten der Unternehmen? Eben nicht, denn die Ökosteuer geht statt dessen in die Rech- nung ein. Sozialisten und das Geld. Würden sie wenigstens die finale Zielset- zung der Ökologie formulieren und festlegen, planen, “gestalten” wieviel für Um- weltschutz Jahr für Jahr “auszugeben” ist. Statt dessen beteiligt sich die SPD an der Plazebo-Diskusssion um den angeblichen Verlust von Arbeitsplätzen. Kein “Arbeitsplatz” geht nämlich verloren. Allerdings geht der Anteil jener zurück, die etwa Konsumgüter produzieren. Das heißt, für den Einzelnen sind mit Umwelt- schutz weniger Konsumgüter am Markt verfügbar als ohne Umweltschutz. Oder wäre es besser, die Arbeitszeit der für den Konsum produzierenden Erwerbstäti- gen ohne Lohnausgleich zu verlängern, um den Produktionsausfall zu kompen- sieren? Und was sagen wohl die Gewerkschaften dazu? Die wollen nicht? Je- denfalls ist das das zu besprechende Thema.

Das Liberale Tagebuch: Bringt Euren ideologischen Saustall in Ordnung.

Ausbildungsplatzabgabe: “Schulabgänger und junge Leute nicht in die Arbeits- losigkeit entlassen”. Schön und gut. Sollen die “etwas Älteren” nun arbeitslos sein? Folgte man dem Argument von Müntefering, könnte “die Wirtschaft” ebenso verpflichtet werden, alle unter 30 Jahren einzustellen; nächster Schritt wäre die Pflicht alle unter 65 einzustellen: Das Recht auf den Arbeitsplatz wäre perfekt; einziges Problem: Wie wird die dem Recht auf Arbeit entsprechende Pflicht zwi- schen Staat, Halbstaat, Großwirtschaft, KMUs und Privathaushalten aufgeteilt?

Der Gipfel der Unverfrorenheit: Steuern auf Vermögen und Streichen der Eigenheimzulage, um Bildung und Innovation zu finanzieren ... ach. Als die SPD im Regierungsprogramm von 1998 formulierte diese Ausgaben bis 2003/ 2004 zu verdoppeln, war von Vermögensabgabe und Streichen der Eigenheimzu- lage nicht die Rede. Warum also jetzt? Ist “irgend etwas daneben gegangen” od. erschöpft sich SPD-Politik in Demagogie?

Genauso unfruchtbar ist es, sich hier mit Vorhaben wie Bürgerversicherung od. herkömmlicher Tarifautonomie hier zu befassen.

Europäisches Sozialstaatmodell, Modernisierung, Reform der Gesellschaft und die traditionell unsägliche Sozialgerechtigkeit. Davon will die SPD jeweils viel. Nur, was ist das alles? Die SPD jongliert mit schwammigen Begriffen.

Neuer nachhaltiger Wählerbetrug ... auch für die Zeit nach 2006.

22. März 2004 um 8:15 im DLF: Heide Simonis ist 2004 einsichtig. Nicht “al- les” ist derzeit “bezahlbar”. Warum hat die SPD dies nicht bereits 1997 formu- liert? Was hat sich seit dem geändert? Die Demographie? Die Globalisierung? Waren die Experten-Prognosen falsch?

Werden die regierten Bürger dies im Programm der SPD Ende 2005 auch nach- vollziehbar nachlesen können? Wieso benötigt die erfahrene SPD, nach 2000 (Scharping-Kommission) noch zusätzlich 20 Monate für die Herausgabe ihres Parteiprogrammes? Irgendetwas scheint zu klemmen. Zumindest scheint schwie- rig ihren eigenen Mitgliedern zu vermitteln, warum das Regierungsprogramm von 1998 schon damals schrottreif war ... Müntefering versprach Ehrlichkeit. Worauf wartet er? Warum tut er nicht? Halbe Wahrheit ist halbe Lüge, also Lüge. Unmoralisch. Sozialistisches Schicksal, sozialistische Heimsuchung?

Angesichts der konzeptionellen Probleme ihres Programms und ihrer aktuellen Politik ist klar: Die Produktion in Deutschland wird nicht zunehmen. Es gibt künf- tig also nicht mehr zu beißen als derzeit. Die SPD-Führung weiß das, andernfalls wären die “echt bekloppt”. Deswegen war der hier kommentierte Parteitag die Wende, die Weggabelung in die Opposition. Dafür beginnt die SPD sich die argu- mentative Basis zurecht zu legen. “Heute”. Solange die nicht anfangen auch noch die Wirtschaft zu planen, kann den Bürgern dies schnurzpiepe sein ... Es bleibt bei der Alternative:

Sozialismus oder Aufschwung der Wirtschaft.

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