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Die neue SED

Stand: 6. Juni 2006, 13:15
(letzte Änderungen kursiv gesetzt)

Die Neuauflage der SED

Zum Kontrast sei vorab festgehalten: Liberale wollen den Menschen vom Men- schen befreien; Individuen als unversehrte Menschen (Art.1 GG), nicht Systeme, sind mit der Konsequenz das prozesspolitische Objekt, dass Demokratie und Marktwirtschaft stattfinden, Kapital und folglich Produktionsmittel privates Eigen- tum sind; Parlamente beschließen die Rechtsordnung, damit die Staatsverwal- tung mit ihren zahllosen spezialisierten Institutionen u.a. als mächtige Schieds- richter verhindern, dass der Eine den Anderen ausbeutet. Schon die Parlamente agieren als Schiedsrichter; Feinarbeit und permanente Kontrolle obliegen fallbe- zogen der Justiz. Dem Gemeinwohl insofern verpflichtete Gewerkschaften, also mit Tarifautonomie aber ohne Tarifmonopol und ohne Funktionärsfremdbestim- mung, sind mehr als willkommen: Hilfreich und nicht ersetzbar.

Lesen Sie den
Aufruf zur Gründung einer “neuen Linken” zum Sammelbe- cken einer Sozialistischen Einheitspartei (SED), denn Grüne und SPD werden aus Sicht der neuen SED als “neoliberal” denunziert, nach sozialistischen Maß- stäben diffamiert, damit verstoßen. Schon hier wird die herkömmliche Methode der Begriffsverfälschung erkennbar. Dies entspricht der Praxis aus der Mitte des 20. Jahrhunderts. Übelste Diktaturen wurden weltweit von Sozialisten aller Schat- tierungen als “Volksdemokratien” bezeichnet. Im Osten nichts Neues; im Westen noch weniger.

Bei aller Härte der Auseinandersetzung mit den Aussagen der SED, kommt aus liberaler Sicht ihr Verbot, wie es einige etwa mit der NPD versucht haben, nicht infrage. Einzusehen ist, dass jede Klage über “falsche Politikansätze” od. “politi- schen Unfug” auf
uns selber zurückfällt. Die SED in unserem Schoße überle- bend ist so deutsch, so uns, wie alles hier. Die SED ist also kein Feind im klas- sischen Sinn des Wortes. Allerdings ist zu konstatieren, dass das Formulieren ihres Programms ein unmoralisches Verhalten offenbart.


Die Versprechen sind hohl, die Verheißungen nicht machbar.

Zulässige Verallgemeinerung: Sozialisten handeln in der Politik überwiegend be- trügerisch. Es macht wenig Sinn unmoralisches Verhalten zu beklagen. Auch einzelne Demokraten und Kapitalisten handeln bisweilen unmoralisch. Betrüge- risch handeln Sozialisten also so wie viele andere leider auch. Ob Sozialtechni- ken entwickelt werden müssen, um spezifisch die fehlende Moral von Sozialisten zu überwinden, soll anderweitig überlegt werden.

Politische Texte bestehen traditionell aus Standortbestimmung (“Analyse”), Ziel- setzung
(Wertepolitik) und Umsetzungsverfahren (Prozesspolitik).


Standortbestimmung

Die ist Schrott. Zwischen Ignoranz und Absicht neigt die LT-Redaktion zu Igno- ranz; denn wer ist schon so bekloppt, Absichten zu verbergen, die doch durch- schaut werden?

Die gröbste Ignoranz ist die Personalisierung von “Kapitalismus”, der tut und macht und “selbstverständlich” ausbeutet. Wenn die SED die westeuropäische Wirtschaftsordnung als Kapitalismus bezeichnen will, soll sie das tun. Kann eine Wirtschaftsordnung handeln? Grammatikalisch richtig ist der Satz “das Auto lacht”. Geschieht das realiter? Wer es so sieht, dem geht, erlaubt, die Phantasie durch; die Realität aber sieht die/der dann offenkundig falsch. Unterfehler: Die Verallgemeinerung von Einzelfällen. Dies kennzeichnet Marxismus, Leninismus und sozialistische
(1) Texte seit eh und je. Das Phänomen führte übrigens zur Formulierung des kritischen Rationalismus durch Karl Popper.

Die Distanzierung von der KPdSU und ihrer Satellitenregime in vielen Ländern stammt wohl aus der Feder von Lafontaine
(2). Die Distanzierung ist formvollen- det und vollständig. Aber nicht glaubwürdig, weil die Analyse marxistisch ist und die Zielsetzungen sich im übrigen von denen der herkömmlichen Kommunisten nicht signifikant unterscheiden; andernfalls wäre es überhaupt nicht nötig, eine solche Distanzierung zu formulieren. Klassenkampf nicht zu erwähnen, schließt entsprechende Praktiken nicht aus u. wäre im Übrigen, als Programm formuliert, in Deutschland auch nach Schröder/Fischer politischer Selbstmord; das Gleiche gilt für den gespielten Schimmer von Gradualismus und etwa die Aussage, dass Akteure der Wirtschaft durch Wettbewerb (dies allerdings falsch ausgedrückt) Wohlstand steigern. Marxisten haben gelernt, dass schrittweises Vorgehen für sie weniger Nachteile hat als Revolutionen.

So wie Marxisten Diktaturen in Volksdemokratien umdefiniert haben, Kapitalis- mus immer ungehemmter agieren sehen oder die “Damen und Herren”
Markt und Wettbewerb (nicht Menschen) “ihre” Wirkung entfalten lassen, so wird es genü- gen, Übel zu erfinden, um zum gegebenen Zeitpunkt ein Programm bzw. Propa- ganda zu rechtfertigen, die exakt die Politik zur Folge hat, die beispielsweise in der UdSSR Praxis war. Die SED denkt und analysiert in der Kategorie von Feind- bildern. Lafontaine hat dies sogar wieder verstärkt.

Ein weniger wichtiger Fehler ist beispielsweise die Aussage “Hunger, Ergebnis einer barbarischen Wirtschaftsordnung”, als ob in Kuba oder Nord-Korea die glei- che bestehe wie etwa in Indien oder Luxemburg. Ebenso fehlerhaft ist es, täglich Hunderttausend Tote, die zu wenig zu essen hatten, einem verhungerten Kind alle 10 Sekunden gegenüberzustellen. Demzufolge wären nämlich 8,5% der To- ten aus Ernährungsmängeln Kinder; dies ist mit Sicherheit falsch. Konzediert, dass dem Propagandisten schon mal die Begeisterung durchgeht; der noncha- lante Umgang mit der Präzision der Aussage aber hat System. Dazu zählen die Personalisierung von Kapitalismus und die zahllosen Übertreibungen in Adjekti- ven (gewaltig, barbarisch, nicht gekanntes Ausmaß, totes Kapital) oder die auf das Satzsubjekt bezogen pejorativen Verben (Reichtum wird angehäuft, der Kapitalismus erobert, Nutzung der Rohstoffe internationalen Konzernen überlas- sen, usw ... ).

Fazit: Sprachliche Ungenauigkeit und Denunziation enthalten, sind als Standort- bestimmung Schrott. Wer verantwortet die deutschen PISA-Ergebnisse? Interes- sant. Die insofern “abgerüstete” Standortbestimmung wirkte wie die schlaffe Bal- lonhülle: Unaufgeblasen. Zwar sachlich immerhin etwas besser, aber unbrauch- bar als populistische Propaganda.


Zielsetzung

In zahllosen Absätzen mit “DIE LINKE <Verb>” formuliert die SED welche Ziele sie verfolgt. Die SED “versteht sich”, “will wagen”, “will”, “setzt auf”, “bekennt sich”, “kämpft”, “tritt ein für”, “lehnt ab” und “widersetzt sich”. Am häufigsten “will” die SED. Partielle Wertewidersprüche sind unvermeidbar. Aber es gibt im Programm der SED Werte (Ziele), die sich ausschließen.

So sollen Schlüsselbereiche der Wirtschaft in öffentliches Eigentum überführt werden. Klassische Verstaatlichung. Ob Banken, Unternehmen ab 10.000 oder 50.000 Mitarbeitern oder die Stahlindustrie in ihrem Sinn Schlüsselbereiche sind, ist dem Text nicht zu entnehmen. Wenn Eigentum öffentlich sein soll, dann ist nur die politisch zentrale Kontrolle vertretbar, die andererseits verworfen wird. “Kontrolliert” eine Teilmenge von Menschen solche Unternehmen, dann kann nicht gewährleistet sein, dass “gesellschaftlich sinnvolle” Arbeitsplätze diese Qualität behalten. Also zentraler Eingriff. Die Ausrede vom übergeordneten Ein- griff zieht nicht, denn wenn die Zielsetzung nicht erfüllt wird, wird entweder im Detail zentral gesteuert oder die Arbeitsplätze bleiben unverändert “gesellschaft- lich nicht sinnvoll”. Was
“gesellschaftlich sinnvoll” ist, sollen sicherlich demo- kratisch legitimierte Gremien dezentral bestimmen. Unklar bleibt, ob und wie die Dezentralen zentral zu “koordinieren” sind. Oder will die SED die Interpretation von “gesellschaftlich sinnvoll” etwa den Einzelnen, gar an Märkten, überlassen?

Wird öffentliches Vermögen verkauft, sei “die Bevölkerung” enteignet. Wie verfügt “die Bevölkerung” über öffentliches Eigentum? Soll im Sozialismus der Schütze Asch, dem Herrn General sagen, was Sache ist? Vielleicht aber gibt es weder Schützen noch Generäle, denn “im Sozialismus sind alle gleich”.

Die SED übernimmt die von Grünen und der SPD “zur Perfektion” entwickelte Parolenbläserei: So ist das Problem der Finanzmittelknappheit offenkundig ange- kommen. Denn die SED will “
die Systeme der sozialen Sicherheit so erneuern, dass sie den Herausforderungen der Zukunft in einer sich verändernden Arbeits- welt standhalten”. Welchen “Herausforderungen” wie “standzuhalten” ist, bleibt unklar. In frühkindliche “Bildung” soll “investiert” werden. Faust I oder II vor dem dritten Lebensjahr? Statt in Bildung zu investieren, wäre besser gewesen, die SED formulierte etwa: “Eltern mit wenig Bildung und geringem sozialen Status soll angeboten werden, ihre Kinder halbtags an altersgemäßer Sprachentwick- lung teilnehmen zu lassen. Um späteren familiären Konflikten, die sich aus dem insofern veränderten Bewusstsein der Jugendlichen ergeben können zu mildern, wird Eltern und Kindern sozialtherapeutische Fortbildung angeboten”. Bleibt zu hoffen, dass sich die SED dem nicht widersetzte, weil die Menschen so “besser auf die Kapitalverwertungsinteressen der internationalen Konzerne abgerichtet seien”.

Diese Kommentierung könnte endlos fortgesetzt werden. Könnte, wird aber nicht.
Im Text, den das LT veröffentlicht sind einige Passagen, die besonders falsch, überzogen, widersprüchlich oder sonst auffällig sind durch rot Fettsetzen hervor- gehoben.


Vorgehensweise zur Umsetzung

Interessant ist das Schleimen um Reformbündnisse (letzter Absatz); dies ist alte Praxis kommunistischer Parteien, wenn sie sich in der Minderheit wissen, in sol- chen Bündnissen über “marxistische Analyse” die Partner aber platt machen. Das
Streitgespräch Gisy-Verheugen ist dazu ein aktuelles und gutes Beispiel.

Ansonsten ist der Text zur Prozesspolitik eher dürr. Vermutlich wird überlegt, Wahlen, damit Einfluss und Macht, zu gewinnen. Und dann geschieht das, was wir von der SPD bereits kennen. “Im Westen das Gleiche wie im Osten”.

Da
der Aufruf vom 2. Juni 2006 wesentlich kürzer ist als etwa das Parteiprogramm von 2003, sind die Texte schwer vergleichbar. Allerdings fällt auf, dass die “Ver- gesellschaftung” von Schlüsselbereichen der Wirtschaft nun apodiktisch gewollt ist. Im Jargon formuliert, also ein so genannter “Linksruck” - obwohl die SED wissen wird, dass dieser Schritt erst nach vielen anderen machbar ist und die SPD dies (unabhängig von dem was sie wirklich will) nicht “bringen kann”. Daraus folgt, dass eine Koalition rotrotgrün erschwert, möglicherweise sogar vermieden wird. Zufall? Nein, Absicht: In der großen Koalition verschleißt auch die SPD, unfähig der SED zu wechseln. Das sozialistische Prinzip: Trübe erzeugen und darin fischen.


Wie das Abendland “den Bach” kennenlernt

Die CDU/CSU agiert mit unübertroffener Genialität. Nicht nur sozialistische Poli- tik
das Resultat ihres Regierens; sie stärkt Sozialisten auch dadurch, dass diese es sich in Teilen nun erlauben können, sogar die Verstaatlichung von Unterneh- men offen in ihr Programm zu schreiben. Abendland bachaufwärts?

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(1) Auch die SPD formuliert, weniger pointiert, nach dem gleichen Prinzip
(2) der seine Meinung seit den Achtzigern des vorigen Jahrhunderts nie geändert hat, von der SPD gelegentlich dennoch zum Kanzlerkandidaten und vier Jahre zum Parteivorsitzenden bestimmt wurde.

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