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                                         Stand: 3. April 2002, 8:00 / 11.11.01 / 29.10.01 / 12.10.01 
                                        Rechtsordnung à la carte ? 
                                        Feststellungen, die Zuständigkeit eines Gerichtes sein müssen, werden - aus- nahmsweise - vorweggenommen: Die Taten des 11. September 2001 sind 
                                            Rechtsbruch, ja Verbrechen. Normaler Rechtsbruch. Gewöhnliches Verbrechen. Die Schuld der Täter ist unermesslich. Der Tathergang erstreckt sich über Jahre. Beschuldigt ist u.a. die so genannte 
                                            “Taliban-Regierung”. Die wissen nur zu gut: Nach den Maßstäben früherer Zeiten, wäre mit ihnen “der kurze Prozess” ge- macht worden. Trotz aller Härte der unvermeidlichen, quasi polizeilichen Verfol- 
                                            gung, hat ihnen die überwältigende Mehrheit der Menschen und der politischen Führungen der Welt eine Chance nicht vorenthalten. Auch vor dem Hintergrund der Hilfsbedürftigkeit so vieler weltweit 
                                            Hungernder sind die Verbrechen des 11. September 2001 von besonderer Niederträchtigkeit. Die Strafe wird, da formali- siertes Recht und Verfahrensrecht einzuhalten sind, wie häufig geringer ausfal- len, 
                                            obwohl materiell, d.h., dem Willen der Weltgemeinschaft entsprechend, eine ganz andere Vorgehensweise “fällig wäre”. Wie häufig rettet die formale Rechts- position das Fell des Straftäters oder des 
                                            Vertragsbrüchigen, obwohl das Gewis- sen ganz genau anzeigt, dass bestimmtes Handeln materiell nicht “in Ordnung” ist. (Besonders verdächtig, die Behauptung, beim Vorgang XYZ sei “alles nach Recht und 
                                            Ordnung” zugegangen). Wir erfahren einmal mehr: Jede Rechtsord- nung ist in hohem Masse “fehlerhaft”; daher die Bemühungen Rechtsordnungen weiter zu entwickeln. Auch zwecks “Abarbeitung der Konsequenzen” 
                                            aus den Verbrechen des 11. September 2001 werden die Weltgesetze gewiss eingehalten werden. Anlass genug, über die Angemessenheit der nationalen Gesetze, in denen Weltempfinden weitgehend kodifiziert 
                                            ist, nachzudenken. 
                                        Sind Rechtsordnugen à la carte wertepolitisch wünschenswert? Wohl kaum. 
                                        Es geht also um die Morde am 11.09.2001 in New York und Washington. Selbst- mörder haben nach langer Vorbereitung Flugzeuge am World Trade Center (WTC) und dem 
                                            Pentagon zerschellen lassen. Die komplexe Planung sah offen- bar noch weitere Morde vor. Neben den Tätern starben 3000-4000 wehrlose Men- schen. Was haben die handelnden Personen sich wohl gedacht? 
                                            Hatten bzw. haben sie Ziele? Fast jedermann spricht von Terrorismus. Das ist ein großer Fehler. Denn schon die schlichte Bezeichnung derartiger Verbrechen mit dem Begriff “Terrorismus” katalysiert 
                                            Bandenbildung und weist den Weg für die Rechtfertigung späterer Täter. Massenmord ist eine Straftat, die hochkomplexe organisatorische Abläufe mit spezifischen Handlungen voraussetzt. Die Auffäche- rung 
                                            von Straftatbeständen, Motiven und Motivstrukturen erschwert unter diesen Bedingungen die Kategorisierung der Straftat und mindert die Wahrscheinlichkeit, dass die “unerwünschte” Handlung im Sieb der 
                                            Strafbarkeit hängen bleibt. Die Tendenz zu vieler Zeitgenossen, sich eine Rechtsordnung à la carte zu genehmi- gen wird implizit verstärkt. Die universelle Ethik des Handelns muss so oder so 
                                            weiterentwickelt werden, denn entkommt gesellschaftliche Wirklichkeit der Rechtsordnung, breitet Anomie sich weiter aus. Dies gilt unabhängig davon, ob die Morde des 11.9.2001 Jahre früher geschehen 
                                            wären oder uns noch bevorste- hen würden. Denn wollten die Menschen ihre Handlungen verabredeten Gesetzen nicht unterwerfen, also etwa Schlupflöcher einbauen bzw. nicht schliessen, wäre Freiheit 
                                            tatsächlich gefährdet. Freiheit zur Rechtsordnung à la carte widerspricht Freiheit. (Schillroy and Schilyroy are watching you und ... ernten, jeder auf seine Weise, ab ... Nicht übersehen: “watching you” 
                                            sind Verhaltensweisen mit Anzei- ge- oder Indikatorqualität für bestimmte Zustände, aber kein zielführender Beitrag zur Überwindung dieser Zustände.) 
                                        Liberale haben also viele gute Motive, Freiheitswillen konzeptionell auf lebenswirkliche Gesetzlichkeit und wirkungsvolle Institutionen im 
                                            Rechtsstaat zu gründen. 
                                        Der Gesetzgeber hat zwei einfache(?) Möglichkeiten: (a) Die Strafbarkeit der (komplexen) Tatvorbereitung
                                             vorzusehen und/oder (b) Die “Unmittelbarkeit der Tat” auf den Zeitpunkt der tatspezifischen Handlungen vorzuverlegen, so dass im Rahmen der herkömmlichen Systematik der Tatversuch gegeben wäre. Sagen wir es ganz diplomatisch so: Unsere Schwadronokratie könnte durchaus um wei- tere Elemente von griffiger Rechtsstaatlichkeit angereichert werden. Die spannen- de Frage lautet natürlich: Welche Rechtsordnug, welche Gesetze sollte die Men- schheit verabreden? Das schockierende Groß-Verbrechen des 11. Sep- tember 2001 ist Anlass, dies erneut zu überlegen. Denn ohne Zweifel ist es völlig kontra- produzent, weiterhin laufend neue Gesetze einzuführen, d.h., die weitere Expan- sion des Normenkosmos zu betreiben. Freiheitsgefühl gedeiht nur, wenn Ge- setze auch faktisch genutzt werden, die Menschen in der Lage sind Gesetze “anzuwenden”. Nicht nur, weil Überregulierung Freiheit einengt, sondern beson- ders, weil Überregulierung die Tendenz zur Rechtsordnung à la carte, d.h., Ano- mie verstärkt, also Freiheit vernichtet.
                                         
                                        Die Rechtsordnung muss sich eignen, jedes noch so widerliche Verbrechen nach formal und materiell sauberen Regeln abzuarbeiten. Mildernde Umstände 
                                            kann es nur in wenigen umgrenzten Fällen geben, was ebenfalls Bestand der verabrede- ten (nicht:
                                             der erlassenen) Rechtsordnung sein muss. Terrorismus mit dem spezifischen Motivations-Kontext als Delikt hat in diesem Gedankengebäude keinen Platz. Nicht zu übersehen das Problem, mit Sozialisten in diesen Fragen klarzukommen. Nicht nur, weil Sozialisten die Rechtsordnung im Dienste von Sozialismus instrumentalisieren (was nachvollziehbar ist), sondern darüber hinaus auch, weil sozialistische Rechtspolitik vom inhärenten sozialistischen Misstrauen gegenüber den Mitmenschen bis hinein in das politische Tagesge- schäft geprägt ist: Man kann dem Richter nicht trauen, daher muss alles genau geregelt werden. Sogar “mildernden Umstände” sind durch das Konzept des “Terrorismus-Deliktes” vorgegeben. Oder gibt es hier doch noch weitergehende klammheimliche Absichten?
                                         
                                        Es muss dringend versucht werden, der schleichenden, sozialistischen Perver- sion der Rechtsordnung Einhalt zu gebieten. 
                                        3. April 2002: Wenn Sie, verehrte Leser, die voranstehenden Ausführungen, ins- besondere den letzten Satz, vor dem Hintergrund des Beitrages Vom Spenden- sumpf zum Verfassungsbruch noch einmal lesen, kommen Sie zu einer Ein- sicht, die etwa die 
                                            Ruck-Idee von Roman Herzog naiv erscheinen lässt; ein mil- des Lächeln werden Sie gewiss spendieren wollen ...
                                         
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