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Stand: 19. Juni 2001, 8:00

Überlebt die Demokratie im Wohlfahrtsstaat?

III. Lösungen. Aber an mir muss die Welt nicht genesen.

Fairness

Wer Demokratie-Praxis darauf beschränkt, Einnahmen zu kassieren, sich aber empört, wenn es weniger Geld gibt oder wer mit Propaganda bzw. Sprüche- Klopfen die Mit-Bürger blendet, handelt gewöhnlich egoistisch. Bei heuti- ger Begriffsprägung kann Solidarität trotz der Bestandteile „Wohltätigkeit“ und „geberseitiger Konkretisierung“ ebenfalls egoistisch motiviert sein (schlechtes Gewissen). Solidarität erwarten normalerweise Unvermögende. Vermögende beu- gen sich dem, denn beim Appell an Solidarität hat ein „Nein“ soziale Ächtung zur Folge. Beugen sich auch Einsichten?

Dagegen erfordert Fairness (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Würde und Strenge) zweiseitige Wertung. Die Schritte Zuhören, Verstehen, Verarbeiten, Stellungnehmen, Zuhören ... sind Voraussetzung einer fairen zwischenmenschli- chen Beziehung. Die Partner müssen aufeinander eingehen, denn das für beide Seiten riskante „Nein“ ist in der fairen Beziehung sehr wohl zulässig. Die faire Beziehung ist komplexer als die solidarische Beziehung. Dies ist auf die wün- schenswerte gegenseitige Rechtfertigung der Beziehungspartner zurückzuführen. Fairness entfaltet mehr Dynamik, weil die Balance zwischen potenziellem beid- seitigem „ja“ und „nein“ laufende Pflege, d.h., Justierung erfordert. Sind Beziehun- gen dynamischer, sind weniger starre Strukturen eine erfreuliche Konsequenz. Die Aufmerksamkeit ist dann mehr auf die Bürger-Bürger-Beziehung statt auf die Bürger-Staat-Beziehung zu konzentrieren. Immerhin sind Mit-Bürger, nicht „Staat“ das zentrale Thema des Lebens. So gehört die Pflege zwischenmenschli- cher Beziehungen zu den wichtigen privaten Aktivitäten in der Gesellschaft. Aufgrund der Arbeitsteilung haben Menschen bekanntlich oft Schwierigkeiten, Fehlbeziehungen (z.B. funktionsbedingte Ungleichheit) paarweise, d.h., privat zu reparieren. Der unverzichtbare Ausgleich findet dann im gesellschaftlichen Raum statt; insofern sei eine Bürger-Bürger Beziehung als „verstaatlicht“ bezeichnet. Liberale plädieren allerdings mit Nachdruck für einen minimalen Umfang subsidiär verstaatlichter Bürger-Bürger-Beziehungen. Bürger-Bürger-Fairness statt Staat-Bürger-Solidaridät kommt dem per Saldo entgegen. Ist es so gesehen noch fair Unvermögende mit Almosen zu speisen? Oder entspricht

Selbsthilfe für alle

als materielle Klammer der Gesellschaft nicht eher einem würdigen Menschen- bild? Jede weitere Überlegung startet nun mit der Einsicht, dass neben den Errungenschaften heutiger Demokratie sich das Prinzip „Versorgung für alle“ als Leitbild laufend gefestigt hat. Demzufolge „habe der Staat“ (in bester Tradition des Absolutismus) die Versorgung der “Bevölkerung “ mit allen möglichen Leis- tungen zu gewährleisten. Es gibt Abgeordnete, die als Gesundheitspolitiker meinen, sie hätten die Pflicht, „die Bevölkerung gesundheitlich zu versor- gen“. Dabei wissen wir: solange die private Beschaffung günstiger ist, denkt kein Bürger im Traum daran, seinen politischen Geschäftsführern das Mandat zu er- teilen, ihn mit Leistungen zu versorgen, deren Kosten (um den Verwaltungszu- schlag erhöht) er, der Bürger, selbst zahlt. Es ist selbstverständlich etwas völlig anderes, Versorgung auf Kosten der Mitbürger zu bestellen. Und Besteller sind im herkömmlichen demokratischen Wohlfahrts“staat“, nicht nur unsere so ge- nannten „sozial schwachen“ Mitbürger. Jeder politisch Kundige kennt doch die exquisite Raffinesse mit der legal, ja verfassungskonform, nicht immer öffentlich, sich gegenseitig die Hände waschend die Dinge gerichtet werden. Dabei wird ohne Zweifel auch mit Sozialleistungen Schindluder getrieben. Nur: Wer profitiert auf der anderen Seite von Kultur, Bildungseinrichtungen, Infrastruktur, Umwelt per capita am meisten? Demokratie, die Szene in der wir versorgten Bürger uns gegenseitig über den Tisch ziehen?

Wohlfahrtsstaat! Wären wir nicht gut beraten, uns mit der Sanierung der philoso- phischen Fundamente heutigen gesellschaftlichen Seins ernsthaft zu befassen?

Genug der Halbheiten: Nicht Wohlstand, nicht Versorgung sind zu gewährleisten; die Voraussetzungen für die raumgreifende Entfaltung des Freiheitsemp- findens sind zu sichern. Den dazu erforderlichen Gesellschaftsvertrag schlie- ßen die Bürger nicht „mit dem Staat“, sondern mit Blick auf ihre Bürger-Bürger- Beziehungen untereinander. Konsequenterweise muss daher „Selbsthilfe für alle“ trotz schwieriger praktischer Probleme in die erste Reihe vorrücken. An Legionen von Vordenkern anknüpfend sei neu formuliert: Hilfe zur Selbsthilfe ist die faire Teilung der Aufgabe zwischen Vermögenden und Unvermögenden. Es kommt schnörkellos, aber anspruchsvoll darauf an, dass jeder sich „selbst hilft“, dazu aber auch real befähigt ist.

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Praxis