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Staat & Politiker

Stand: 20. Juli 2008


”Staat” handelt, die “Politiker” in den Büschen?

Jemand
(1) sagte laut DLF-Nachrichten vom 15.07.08 um 8.00/10:00 Uhr und
weil es wohl bedeutsam ist auch um 16:00 Uhr “niemand dürfe sich der Illusion hingeben, dass der Staat die Belastungen der Bürger durch steigende Kraftstoff- preise über das Steuersystem ausgleichen könne“. Und ob “er” “kann”, wenn die Politiker wollen. Darum geht es im Folgenden.

Der Satz, insbesondere die Aussage “dass der Staat ... steigende Kraftstoffprei- se ... ausgleichen könne” sind korrektes Deutsch. Hierbei hat "Staat" die Rolle des Subjets und “ausgleichen kann” die Rolle des Verbs (Handeln des Subjekts).

Satz und Teilaussage sind auch juristisch korrekt, denn Staat ist aus sehr prak- tischen
Erwägungen eine “juristische Person”, prinzipiell wie etwa eine Kapitalge- sellschaft, die durch ihren Geschäftsführer/Vorstand vertreten rechtsgeschäftlich handelt.

L'État, c’est moi

hat angeblich der legendäre König der Franzosen seinen Kollaborateuren und dem Volke mitgeteilt. In lockerer Sprech-, heutiger Ausdrucksweise sagte der König imperativ: “ich bestimme“ - von ökonomischer Rationalität abgesehen, wörtlich - “alles”.

Schon im absoluten Staat war der Wille der Politiker, meist eines Politikers maßgeblich.
In der Demokratie führen Politiker die Staatsverwaltung formell durch Weisungen und inhaltlich nach parteipolitischen Gesichtspunkten; Verweigerung aus “politischen” Gründen kann als Schlechtleistung für Beamte oder Angestell- te der Staatsverwaltung sogar disziplinarische Konsequenzen haben.

Auf der Basis von Gesetzen, die sie selber beschließen, sind im Fall der juristi- schen Person "Staat" geschäftsführende Vertreter die Politiker, die nicht anders als Im Falle von Kapitalgesellschaften, ggf. an andere Institutionen, bzw. ihre/de- ren Mitarbeiter die Ausführung ihres Willens, d.h., ihre Macht delegieren.

Sicherlich ist heute zu formulieren

"l'État, c’est nous",

ansonsten ist es dabei geblieben, dass Politik "alles" bestimmt und wie seit eh und je sogar das Gewaltmonopol innehat. Daran ist auch nicht deswegen zu rüt- teln, weil Verfassung und Gesetze den Handlungsspielraum der Politiker in der Demokratie heute enger als früher fassen. Der Wille der Politiker ist entschei- dend. Da ihnen zumal pauschal nicht unterstellt werden darf, sie wollten etwa Gesetze unterlaufen, gar brechen, zählt zum Willen der Politiker eben auch der Wille die Rechtsordnung zu beachten
(2). Die Tatsache, dass wir in den letzten Jahren reihenweise verfassungswidrige Gesetze gesehen haben, bekräftigt die Bedeutung des Politikerwillens.

Gegen Politikerhandeln ist im Grundsatz nichts einzuwenden, denn Politiker sind in der Demokratie durch Wahlen legitimiert und in der repräsentativen Demokra- tie funktionell zuständig, zum Handeln also im vollen Umfang der Funktionalität sogar verpflichtet; dazu gehört insbesondere, die Rechtsordnung samt Konkreti- sierung des Gewaltmonopols zu bestimmen.

Kommunikation ist immer zweckbestimmt.

Die Erfinder von Aussagen mit "Staat" als handelndes grammatikalisches Sub- jekt sind wahrscheinlich Juristen; ob auch die im arabischen und asiatischen Raum müsste untersucht werden. Solche Sätze sind juristische Fachsprache. Der Jurist stellt sich vor und beschreibt die Wirkung etwa von Gesetzen auf das Objekt ("Adressat"), d.h., das Individuum. Staat ist dann stets die Gesamtheit der Rechtsnormen, als juristische Person "Staat" verkörpert, die mit dem Indivi- duum in Interaktion tritt. Unter dieser Vorstellung wird in der Jurisprudenz ge- forscht und entwickelt. Die Beteiligung von Juristen im Prozess der Gesetzge- bung ist unverzichtbar, so ging die juristische Denk- und Sprechweise in die Po- litik über.

Für den konservativen Politiker hat diese Sprechweise den Vorteil, dass sein Wille transzendente, (zunächst) abstrakte Werte im Handeln der Mitmenschen konkretisiert zu sehen, durch unterfütternde Logik unterstützt wird: Staat ist schließlich für die Individuen in der arbeitsteiligen Gesellschaft vernünftigerweise unverzichtbar
(3).

Ähnlich das Interesse des sozialistischen Politikers: Die marxistische Theorie (etwa die Gesellschaftsanalyse) wird sprachlich mit "Staat" verschmolzen. Ihre Aussagen gewinnen dadurch die Autorität des Konzeptes vom vernünftigerweise unverzichtbaren Staat.

Es ist nicht erforderlich Täuschungsabsicht zu unterstellen. Es genügt auszusa- gen, dass unbewusst, gar instinktiv der aussagende Politiker mit Aussagen vom “Staat, der handelt” sein eigenes Tun/Unterlassen verschleiert. Staat, tendenziell verklärt, gar auf einem hohen Sockel von Gesellschaft oder Schöpfung, bleibt (erst Recht) als Konstrukt für das Individuum unantastbar; ein wenig auch für Po- litiker ... Bestes Beispiel
(kein Beweis): "Der Staat erhöht die Steuern". Sprachlich und juristisch korrekt. Den Satz "Der Staat weiht den Fahrradweg ein" hat es garantiert noch nie gegeben.

In der Medienwirtschaft besteht das Interesse an dieser Ausdrucksweise eben- falls, weil die Anzahl der Wörter der entsprechenden Aussage dann geringer ist. Dies beginnt schon bei Formulierung der "Schlagzeile", dem Titel geschriebener oder gesprochener Nachricht.

Deskommunikation und (folglich) Desinformation

Sicher ist zu konzedieren, dass das Publikum bei den sprachlich und juristisch korrekten Sätzen der Form "der Staat ... <Verb das Handlungen ausdrückt> ... " in der Regel weiß (wissen könnte), was gemeint ist. Ob die weitergehenden Im- plikationen durchschaut werden, ist zumindest zweifelhaft. In der Fülle komple- xer Vorgänge, des geringen Netto-Informations-Wertes, des zu geringen Wahr- heitsgehaltes
(4) und des enormen Informationsvolumens ist reales Verstehen, vermutlich sogar überwiegend, nicht gegeben. Dies auch weil angesichts wider- sprechender Aussagen aus dem politischen Raum das Publikum massiv bezüg- lich Wahrheit verwirrt ist, aufgibt, zumindest verdrossen wird. Es fehlen publi- kumsseitig außerdem Interesse und insbesondere Ausbildung.

Das Ideal ist unerreichbar. Näherung machbar.

Es widersprechen sich - heute realiter so gefühlt - die Interessen der Individuen im komplexen Rollen- und Gruppengefüge. Gemeinsames Interesse ist aber, Voraussetzungen dafür erfüllt zu sehen, dass die Fakten zur Beurteilung der Politiker-Tätigkeit transparent sind. Zwar wird verstärkt durch den Wettbewerb der Parteien hierzu Information geliefert, aber das gemeinsame Interesse der Politiker an ihrem "Arbeitsplatz" darf bezüglich der vermittelten Nettoinformation nicht unterschätzt werden. Wenn Politiker sich gegenseitig mit dem schwarz-weißen Dreschflegel traktieren, trägt dies nicht zur besseren Aufklärung des Publikums bei. Das Publikum weiß von Vorgängen und Aussagen. Aber informiert mit dem Ziel hinreichend treffsicherer Politikerbeurteilung ist das Publikum mitnichten.

Auch wenn manchmal der Eindruck entsteht, dass Politiker "die Bevölkerung" beim Thema "Souverän", da letztlich irreal, systematisch und gewollt auf den Arm nehmen, ist es gleichwohl möglich, das Ideal ein wenig besser zu erfüllen.

Vom Souverän geht, juristisch perfekt begründet, der Wille aus. "Ha-ha-ha" ist erklärungshalber einzuschränken
(5). Denn der Wille des Souveräns wird vom Willen "seiner" gewählten, legitimierten, also zuständigen Vertreter, den Politi- kern, gefiltert (6). Nur auf den Willen der wechselnd zusammengesetzten Politi- ker-Gemeinschaft, "l'État, c’est nous", kommt es an (6); nicht auf den Willen der - juristisch ausgedrückt - Erfüllungsgehilfen. Beamtete Individuen haben in dieser Rolle diszipliniert und unbedingt den Willen der Politiker auszuführen. Beamte und Staatsangestellte werden über Zeitabschnitte verglichen sogar zu wider- sprüchlichem Verhalten angehalten; andernfalls kann dem Einzelnen, das Urteil Schlechtleistung und damit disziplinarische Konsequenz drohen und legal voll- zogen werden.

Eindeutige Kommunikation ist die Voraussetzung, das Ideal vom Souverän bes- ser zu erfüllen. Im totalitären konservativen oder sozialistischen Staat, der von "besser Wissenden" "regiert" wird, kommt es in der Tat auf das Wollen der Indi- viduen nicht an. In der Demokratie, so sie wirklich ernst genommen wird, ist poli- tische Kommunikation mit Ungefährem oder zu Missverständnissen Verführen- dem ein Missgriff, der aufgrund der "objektiven Verhältnisse" an Unrecht grenzt. Diesen schwerwiegenden Vorwurf etwas zurückgenommen, ist schließlich klar, dass Sätze der Form "Der Staat ... <Verb, das Handlungen ausdrückt> ... " un- geeignet sind, das friedliche Zusammenleben zu fördern, dem sogar widerspre- chen.

Vermutlich ist die Praxis der politischen Deskommunikation die Ursache für die allseits beklagte Politikverdrossenheit. Dass Politiker hierbei Schwierigkeiten ha- ben, darf nicht übersehen werden. Es sind allerdings Schwierigkeiten untereinan- der. Ihnen hierbei seitens Berufsfremder zu helfen, so gut wie unmöglich. Mit die- ser Schwierigkeit müssen die Politiker also selber fertig werden. Frei wie jeder Mensch, können/sollen/dürfen Politiker nicht zu einer bestimmten Ausdrucks- weise gezwungen werden; sie müssen sich überdies den tieferen Sinn, den Wert von Demokratie nicht bei jedem Atemzug vor Augen führen. Wenn Politiker bei der Vorbereitung von Reden und Texten an den Souverän in der Demokratie den- ken, daher Sätze mit Staat als handelndes Subjekt nicht formulieren, hätten "wir" schon viel gewonnen.

Und "die
Medien"?

Es gilt für den Berufsstand unserer exzellent ausgebildeten und auch qualifizier- ten Journalisten das Gleiche; für sie - nur das Platz-Problem ist zu lösen - viel leichter umzusetzen. Selbstverständlich bleibt es bei der Meinungsfreiheit. Wer will, sagt/schreibt "der Staat erhebt Steuern". Sprachlich und juristisch korrekt. "Politisch" aber kontraproduktiv.

Sozialisten, Konservative, Liberale

Nur höchstvorsorglich: Es bleibt "erlaubt" Sozialist oder Konservativ zu sein, d.h., so zu denken und so zu handeln. Dass die Liberalen vorstehend nicht erwähnt werden, liegt auf der Hand. Wollen wir die perfekten Liberalen? Vielleicht oder doch nicht? Denn das Einzige noch langweiligere ist: "Mit der eigenen Schwester in die Disco zu gehen" und das Lesen der ... Medienschelte muss hier unterblei- ben, denn "sie" könnten zur Lösung des Problems der systematischen "Des- kommunikation" "in dieser Gesellschaft" den wesentlichen Beitrag liefern.

Wer sich vornimmt, die inkriminierte Sprechgewohnheit - im Rahmen der politi- schen Kommunikation - auszumerzen, wird längere Zeit immer wieder mit sich ringen müssen. Ganz besonders unsere juristischen Damen und Herren, wenn sie neben fachspezifischer auch der politischen Kommunikation teilnehmen.

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(1) der schon mal krachend eine Wahl vergeigte
(2) Kleines, süßes “Ehämmchen” ändert daran nichts im Grundsatz
(3) Staat ist für die Gesellschaft, wie das Betriebssystem für den PC
(4) Jeder Arbeitnehmer weiß beispielsweise, dass die Arbeitgeberanteile zur So- zialversicherung sein Vorteil sind; aber nicht bzw. sehr selten, dass die Zahlung der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung unbedingt-kausal auf seine Arbeit zurückzuführen ist. Politiker sprechen allerdings von der paritätischen Finan- zierung der Sozialversicherung .
(5) Viele gesetzliche Regelungen, die die Mehrheit will, gibt es nicht; viele, mehr- heitlich abgelehnt, beschließen die Politiker in den Parlamenten trotzdem. Hier nicht weiter vertieft wird die im Gesetzgebungsgeschehen (-willen) wirksame Ge- wohnheit, im Interesse von Wahlzielen Halb- oder Unwahrheit zu verbreiten, Wahrheit zu unterschlagen. Zu letzterem zählt das Ausbleiben von Aussagen zu den Heute-Kosten der Maßnahmen zum Umweltschutz. Das edle Motiv der Sor- ge, dass andernfalls Umweltschutz den Wählern nicht vermittelt werden kann, ist ebenfalls in keiner Weise akzeptabel 
(6) daran ändern noch so triftige Gründe, etwa Interessenausgleich, nichts.
 

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